Shame, shame, shame on you
Warum bezeichnen wir unsere weiblichen Genitalien als Schambereich, Schamlippen, Schamhügel, Schamhaare? Diese Frage beschäftigt mich schon seit vielen Jahren. Aber wofür sollen wir uns schämen? In ihrem Buch "Sorry not Sorry", schreibt Anika Landsteiner, das "die natürliche Scham die Wächterin der Grenzen eines intimen Raums, des inneren Wesenskerns" ist. Erstmal nichts verkehrtes - im Gegenteil - will sagen: achte auf dich! Doch besonders die Kirche und das Patriarchat haben sehr großen Einfluss darauf, Frauen, nicht nur in der Vergangenheit, auch in der heutigen Zeit klein und demütig zu halten. Der Begriff Schamlippen existiert bereits schon seit etwa 200 Jahren. Ursprünglich wird das Wort Scham von Beschämen oder Schande abgeleitet. Wiederum fehlt das Vorwort Scham- völlig im männlichen Kontext. Wie würde das klingen? Schampenis, Schameichel, Schamhoden. Im Gegenteil! Dem männlichen Geschlechtsteilen werden ehr Begriffe wie: Schwanz, Prügel, Gerät oder Latte zugewiesen.
In ihrem Buch "Aphrodite" schreibt Isabell Allende: "
Denn seit Männer den merkwürdigen Einfall hatten, ihre Überlegenheit über Frauen auf diesem Teil der Anatomie zu gründen, haben sie Probleme. Sie schreiben ihm übermächtige Kräfte zu, dabei ist seine Funktionstüchtigkeit unerheblich - verglichen mit der von Arm und Bein. Und was sein Format angeht, so sind die Bezeichnungen von Waffen oder Gerätschaften, mit denen er verglichen wird, einfach nicht gerechtfertigt, schließlich könnte man ihn bequem in einer Sardinenbüchse unterbringen.
Uns begreifen
Frauen haben im Gegensatz zu den Männern auch nicht den haptischen Umgang mit den unteren Geschlechtsteilen. Während der Penis zum Urinieren (und Masturbieren) mehrmals (!) am Tag in die Hand genommen wird und der Hoden frei umherschwingen kann, haben Frauen weniger Kontakt zu ihren Geschlechtsteilen. Dabei ist es äußerst interessant mit Spiegel, Taschenlampe und evtl. Spekula das "beschämte" Untenrum zu beäugen, zu begreifen - im doppelten Sinne - und zu erforschen. Noch immer fehlen in vielen Schulbüchern und medizinischen Fachbüchern die korrekte Abbildungen unseres Genitalbereiches, speziell der Klitoris in ihrem ganzen Ausmaß. Einige Bundesländer haben begonnen ihre Schulbücher zu überarbeiten. Das historische weibliche Wissen, was in vielen Bereichen aufgrund der Hexenverfolgungen und Ermordungen von Kräuterfrauen und Heilkundigen verloren ging, ist so wichtig wieder zu entdecken. Ein gutes Körpergefühl ohne Scham und Zweifel für sich zu bekommen, frei und wertschätzend über Bedürfnisse, Beschwerden und Gefühle sprechen zu können und sich so annehmen können, wie wir sind, ist so wichtig für die weibliche Gesundheit.
Passende wertschätzende Benennungen
Das Wort Scheide (lat. Vagina) hat seinen Ursprung aus dem geschichtlichen, kriegerischen Zusammenhang - Ritter steckt sein Schwert in die Scheide! Der Begriff Scheide ist nicht mehr zeitgemäß. Aber welche Begriffe benutzen wir denn sonst für unsere weiblichen Gentialien? Muschi, Mumu, Wissi, Fotze, Möse, Loch, Ritze usw. Diese Bezeichnungen hören sich entweder kindisch, vulgär oder einfach blöd an. Aus Verlegenheit nutzen viele Menschen, ob in der Partnerschaft, beim Arzt oder in der Gesellschaft die Floskel "da unten rum!" Es wäre doch wünschenswert über unsere Genitalien ganz offen zu sprechen und sie auch als solche zu benennen, wie ich auch über meinen Bauch und Bein sprechen kann. Lasst uns neu und selbstbewusst kreativ denken. Namen wie Venushügel, Venuslippen, Venushaare, Vulvina (Vulva und Vagina - Wortneuschöpfung von Ella Berlin) oder Yoni (aus dem Sanskrit, Bezeichnung für die gesamte Vulva) finde ich persönlich würdevoller und weiblicher. Natürlich kann jede Frau für sich achtvolle und schöne Bezeichnungen für ihren Intimbereich finden, wei z.B. meine Grotte, meine Blume, mein Schoß usw. Auch die Benennung innere und äußere Venuslippen finde ich angebrachter, als große und kleine Venuslippen, da es ganz nornal sein kann, dass die inneren weiter hervorspitzen.
Zu diesem Thema der Begrifflichkeit fand ich vom Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch folgende Aussagen:
Obgleich alle Ausdrücke, die die sexuelle Sphäre durchgeistern, problematisch sind, ist es doch nicht gleichgültig, welches Wort wir benutzen. Denn sie lassen darauf schließen, wie etwas empfunden, gesehen oder ideologisch-theoretisch eingeordnet wird.
und
[...] Das Elend fängt doch schon mit der Sprache an: Schwanz, Scheide, Brust-Warze, Hoden-Sack, verkehren, poppen. Das ist doch grauenhaft.
Was gehört alles zum Untenrum?
Zu den äußeren Genitaltien gehören der Venushügel (lat. Mons pubis), äußere und innere Venuslippen (Labia vulvae), Klitoriseichel (lat. Clitoris) - der sichtbare Teil der Klitoris oder Perle, Klitoriskapuze, Scheidenvorhof (Vestibulum), Vaginaleingang und die Harnröhre (Urethrae). Bei dem Blick auf die Klitoris, die ihre wahre Bestimmung und Größe tief im Inneren hat und nur als Perle wie die Spitze eines Eisberges aus der Kapuze hervorlugt. Sie verfügt über ein komplexes System von Schwellkörpern und Nervenzellen. Die zwei Klitorisschenkel (5 bis 9 cm lang) und zwei zwiebelförmige Klitorisschwellkörper (3 bis 7 cm lang) können wir uns wie ein umgedrehtes Y vorstellen. Die Klitoris ragt weit in unser Körperinneres hinein und steht in Nachbarschaft zur Harnröhre, was uns höchste und intensivste Erregung bereiten kann. Ein wunderbares Gefühl und phantastische Orgasmen erleben wir aufgrund der großen Anzahl an Nervenenden in der Perle - ähnlich der Peniseichel - nur auf engeren Raum. Der Mythos, dass die Klitoris der Frau 8.000 Nervenfasern und somit doppelt so viele wie der Penis hat, ist nicht haltbar, da überzeugende Quellen fehlen. Ein weiterer Mythos über das Jungfernhäutchen möchte ich hier entkräften. Es gibt keines - Punkt. Das sogenannte Jungfernhäutchen ist kein Häutchen, welches beim ersten Sex durchstossen wird und Mädchen oder Frauen zum Bluten bringt. Ein Aberglaube mit noch immer schweren und weitreichenden Folgen - meist für die Frauen - in manchen Kulturen. Vielmehr liegt ein Schleimhautkranz kurz hinter dem Vaginaleingang. Er kann dick und wulstig sein, aber auch zart und zottelig - ganz individuell - bei jeder Person anders, jedoch immer faltig und wenig bemerkenswert. In der feministischen Zeitschrift Clio, Ausgabe 83, wird porvokant dazu geschrieben: "Weibliche Sexualität ist nicht zu kontrollieren!"
Mein Fazit
Liebe Frauen und Männer - lasst uns selbstbewusst, frei und ungeniert die wunderbaren weiblichen Geschlechtsteile beim Namen nennen, sodass eine offene, wert-volle (Gesprächs-)Kultur entstehen kann, die nichts verheimlichen, verstecken oder schönreden muss. Auch Kinder sollten in ihrem Vokabular richtige Bezeichnungen für die Geschlechtsteile kennen lernen. Denn nur worüber wir auch offen und unverkrampft reden können - kann angespochen und ausgesprochen werden und somit die entsprechende Gewichtung erhalten.